
Balance finden – zwischen Struktur und Intuition
Viele von uns tragen Verantwortung – im Job, in der Familie oder einfach im Alltag. Und fast alle kennen dieses Gefühl: Auf der einen Seite sollen wir klar, strukturiert und durchsetzungsstark sein. Auf der anderen merken wir, dass etwas fehlt.
Denn wirklich kraftvoll werden wir erst dann, wenn zur Klarheit auch Tiefe kommt. Wenn wir nicht nur Entscheidungen treffen, sondern auch Gefühle zulassen. Wenn wir nicht nur Pläne machen, sondern uns verbunden fühlen. Fehlt dieses Gleichgewicht, zeigt es sich oft ganz deutlich: in Müdigkeit, innerer Unruhe oder dem Eindruck, nur noch zu funktionieren, statt wirklich zu gestalten.
Zwei Pole, die zusammengehören
Alte Traditionen beschreiben es schon lange: Leben braucht Gegensätze im Einklang. In der östlichen Philosophie heißen sie Yin und Yang. Im Schamanismus spricht man von Ganzheit.
Das „männliche“ Prinzip steht für Aktivität, Klarheit, Struktur. Es denkt nach vorn, handelt, setzt um.
Das „weibliche“ Prinzip wirkt stiller, aber nicht weniger stark. Es ist intuitiv, empfänglich, kreativ. Es hört zu, verbindet, gibt Sinn. Erst wenn beide zusammenwirken, entsteht Ganzheit.
Wenn die Waage kippt
Im Alltag sehen wir schnell, wie leicht die Balance verloren geht:
Im Job hetzen wir von Meeting zu Meeting, arbeiten To-do-Listen ab, messen Fortschritte in Zahlen – und merken irgendwann, dass wir gar nicht mehr spüren, wofür wir das eigentlich tun.
In der Familie jonglieren wir Termine, Mahlzeiten und Kinderbetreuung. Struktur hält alles am Laufen – doch die Momente echter Nähe gehen manchmal im Alltagstrubel unter.
In der Freizeit organisieren wir Aktivitäten, um „das Beste rauszuholen“. Aber wo bleibt die Zeit, einfach zu fühlen, was uns gerade guttut?
Oft betonen wir die „männlichen“ Qualitäten: Stärke, Leistung, Kontrolle. Nicht selten aus Notwendigkeit. Die weicheren Seiten – Intuition, Kreativität, Mitgefühl – treten in den Hintergrund.
Und auch Männer spüren zunehmend das Bedürfnis nach dieser Balance: danach, nicht nur Ergebnisse zu liefern, sondern auch Sinn zu erleben. Doch in vielen Strukturen fehlt der Raum dafür.
Balance beginnt bei uns
Wo das Weibliche fehlt, wächst die Kontrolle. Wer nicht fühlt, misst. Wer nicht spürt, plant. Was mit besten Absichten beginnt, endet manchmal in einem starren Korsett aus Effizienz – verbunden mit der Angst, nicht mehr zu genügen oder dem "Hunger nach Mehr".
Doch Balance lässt sich nicht von außen verordnen. Sie beginnt leise – in uns selbst. Mit einem Innehalten. Mit Fragen wie:
Wo darf mein Alltag weicher werden?
Wo lasse ich Intuition mitentscheiden?
Wo gönne ich mir, nicht alles zu wissen – sondern einfach zu lauschen?
Schon kleine Dinge können helfen: den Arbeitstag bewusst mit drei tiefen Atemzügen beenden. Ein Familienabend ohne Plan – einfach sehen, was sich entwickelt. Oder morgens beim Kaffee nicht sofort ans Handy greifen, sondern erst mal spüren, wie es einem gerade geht.
Die Kraft der Verbindung
Ganzheitliche Verantwortung bedeutet, beide Kräfte zu verbinden: Klarheit und Gefühl. Struktur und Intuition. Zielorientierung und inneren Halt. Denn Neues entsteht nicht allein durch Kontrolle. Es entsteht dort, wo Kopf und Herz zusammenspielen. Wo Ideen nicht nur gedacht, sondern auch gefühlt werden – und dann ihren Weg in die Umsetzung finden.
Balance ist ein Weg
Schöpferisch gestalten – das wünschen wir uns alle. Nicht nur verwalten, nicht nur kopieren, sondern etwas bewegen. Dafür braucht es beides: die klare Richtung und das verbindende Miteinander.
Balance ist kein Zustand, den man einmal erreicht und dann abhakt. Es ist ein Weg. Jeder kleine Schritt – jedes Innehalten, jede bewusste Entscheidung – bringt uns näher dorthin.
Vielleicht ist es genau das, was Verantwortung heute braucht: weniger Härte, mehr Leichtigkeit. Weniger Kontrolle, mehr Vertrauen. Damit wir nicht nur funktionieren – sondern wirklich gestalten.
Literaturimpuls: Bourbeau, Lise (2009): Höre auf Deinen Körper und sei wie Du bist, S. 223-224)
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